Geistig beschränkt - oder so
„Komm mal mit. Ich habe etwas für dich.“ Ich sah die Frau an und zerbrach mir den Kopf was sie für mich haben könnte und folgte ihr mit ein wenig Unbehagen. Sie hatte immer irgendwie … Sie bat mich an der Tür zu warten und zog den Vorhang zu. „So du kannst rein kommen. Jetzt ist es nicht mehr so hell.“ Ich trat in den Raum und hielt am Fußende des Bettes. Sie stand an einer Art Schreibtisch, am Fenster. Dort stand ein Monitor. Sie war mir mit dem Rücken zugewandt. Ich beobachtete sie. Mir war nicht wohl. Ich kam mir irgendwie wie ein Eindringling vor. Als sie sich mir zu wandte oder zu mir kam, hatte sie eine Kamera in der Hand. „Du brauchst doch eine Kamera oder nicht?“ „Äh ja schon, aber ...“ Ich sah sie mit einer Mischung aus Überraschung und Verwirrung an. Sie hielt sie mir hin. „Du kannst sie haben. Ich brauche sie nicht mehr. Das ist eine Spiegelreflexkamera.“ Ich behielt meine Hände wo sie waren, neben dem Körper. „Na nimm schon. Sie beißt nicht.“ Ich nahm sie zögernd, nach dem sie mich erneut aufgefordert hatte, sie zu nehmen. Ich war verwirrt. „Sie gehört jetzt dir D .“ Ihre Stimme war warm und sanft. Ich sah auf die Kamera und wollte sie wieder zurück geben. „Das kann ich nicht annehmen.“ Sie lächelte. „Doch das kannst du. Ich habe zwei. Eine davon gehört jetzt dir.“ „Das ist eine … (ich nannte die Marke). Die muß sau teuer gewesen sein und dazu auch noch eine Spiegelreflexkamera. – So etwas teures kann ich nicht annehmen.“ Ich wollte sie trotz der Freude, die ich tatsächlich mal empfand, wieder zurück geben. „Willst du mich wirklich beleidigen, in dem du ein ehrlich gemeintes Geschenk von mir zurückweist? – Ich sehe und spüre doch wie du dich darüber freust.“ Ich bot an sie ab zu bezahlen. Einen Schuldschein auszustellen und den Betrag monatlich ab zu bezahlen. „Das sieht dir mal wieder ähnlich. Du kannst wohl keine Geschenke normal annehmen, wie? – Nein D . Ich will dein Geld nicht. Ich will dir eine Freude machen in dem ich sie dir schenke. – Eine echte Freude, was mir wohl auch gelungen ist. – Sie ist ein Geschenk und ich will daß du es annimmst – mir zu liebe. Ich weiß wie schwer es für dich ist etwas anzunehmen.“ Ich sah auf die Kamera und unterdrückte den Impuls sie auf dem Boden zu werfen, weil sie zeitgleich auch noch sagte: „Du sollst sie benutzen und Spaß damit haben, und nicht zerstören. Sie ist zum Benutzen da und nicht zum Kaputt machen.“ Ich starrte sie verblüfft an. „Woher …?“ „Weil ich dich kenne und weiß, das du es nicht gewohnt bist. Du weißt nicht wie du damit umzugehen sollst.“ Ich setzte mich auf die Bettkante. Sie sich neben mich. Ich starrte auf die schwarze Kamera in meiner Hand. Ich wußte nicht was ich sagen sollte. Ich war zum ersten Mal richtig sprachlos. Na ja, bin ich so oder so. Ich wußte nicht, ob ich weinen oder mich freuen sollte. Sie ließ mir ein wenig Zeit das irgendwie sacken zu lassen. Dann überwog die Neugier und ich betrachtete sie genauer. Sie lächelte. Ich glaube auch ihre Gedanken dazu vernommen zu haben, die ich aber nicht mehr weiß – Bis die Neugier überwiegt, oder so … „Soll ich dir erklären wie sie funktioniert?“ Ich gab sie ihr und sah ihr zu, während ich versuchte ihren Ausführungen zu folgen. Sie erklärte es für Dumme, als würde ich Probleme haben ihr folgen zu können. Ich legte den Kopf leicht schief und beobachtete genau. Dann gab sie sie mir zurück. „Versuch du es jetzt mal.“ Ich setzte die Kamera an. Sie erklärte mir die Scharfeinstellungen und einiges mehr … Es war für meinen derzeitigen Stand der Dinge Fachchinesisch, weswegen ich mir noch nicht mal die Hälfte davon merken konnte. Es verwirrte mich einfach nur noch. „Wenn du etwas nicht verstehst, kannst du mich jederzeit fragen. Ich werde dir helfen, im Umgang mit der Kamera sicherer zu werden (oder so ähnlich?).“ Ich betrachtete die Kamera wieder. Sie lächelte still vor sich hin. „Die Qualität dieser Bilder dürfte um einiges besser sein, als die mit der Kamera deines Handys.“ Ich nickte. „Ja, auf jeden Fall.“ Ich machte ein Bild und sie erklärte mir weitere Funktionen und einiges was ich mir wieder nicht merken konnte. „Du wirst dich schnell mit ihr anfreunden. Ich werde dir dabei helfen.“ „Was macht dich da so sicher?“ Sie lächelte. „Weil ich es weiß und weil ich auf deine Bilder gespannt bin.“ Ich betrachtete die Kamera nachdenklich. „Wieso?“ „Weil du mir etwas beweisen willst.“ Ich sah sie von der Seite an. „Weil du eine Motivation und etwas brauchst, das dein Interesse länger weckt. Und da du gerne Fotos machst … “ Sie strich mir während sie sprach über den Rücken und meinen Kopf. „Tue ich das?“ „Ja, das tust du.“ Irgendwas an mir war anders. Seltsam anders. Fremd. Verstörend fremd. Als wäre ich geistig irgendwie … zurück geblieben. „Wenn du mit offenen Augen durch die Gegend gehst, wirst du vieles sehen, was du unbedingt fest halten willst. Bilder sind für dich die einzige Möglichkeit, das was du gesehen hast zu behalten. Du vergißt zu schnell.“ (Und selbst das ist keine Garantie, das du dich daran wirklich erinnerst.) „Ist alles in Ordnung?“ „Ja, ich habe nur nachgedacht. – Laß uns ein wenig raus gehen. Vergiß deine Sonnenbrille nicht. Es ist hell draußen.“ Ich nickte. Erhob mich, ging und blieb in der Tür stehen. Drehte mich um. „Danke.“ „Bitte. Und jetzt geh deine Sonnenbrille holen.“ Ich ging zu ihr zurück und legte die Kamera neben sie auf das Bett. „Ich will sie nicht zurück geben. Ich .. will sie nur nicht vergessen. Wenn ich sie ablege, kann ich sie vergessen. Dann habe ich zwar meine Sonnenbrille, aber nicht die Kamera.“ Sie lachte. Es war ein warmes Lachen. Irgendwie berührte es mein Herz, aber ihre Augen waren kummervoll. „Und dann läßt du sie bei mir?“ „Du denkst dran.“ gab ich in einem Tonfall von mir den ich schwer beschreiben kann. „Das ist auch eine Methode. – In Ordnung, ich nehme sie mit.“ Ich drückte ihr einen Kuß (!) auf die Wange. „Danke.“ und verschwand keine Ahnung wohin. „Dieses Kind.“ hörte ich sie noch sagen. Ich spürte wie sie ernster wurde. „Wenn es nur nicht so weit gekommen wäre.“ (Wenn was nicht so weit gekommen wäre? Was meint sie?) Es klang sorgenvoll, aber irgendwie auch verhalten wütend ….