Die Maske fällt
10:56:17 Deine Hand war so warm. Schlank und warm. Kraftlos. Trotz, daß ich den Handschuh an der rechten Hand getragen habe, spürte ich die Wärme Deiner Hand durch ihn. Ich weiß nicht, wieso Du im …
11:04:25 Es hat mich stärker mitgenommen, als ich dachte.
13:34:05 Mir geht es nicht gut. Das hat mich sehr getroffen, auch wenn es nach dem Aufstehen nicht so erschien.
Dich zu sehen oder ein Schlaferlebnis mit Dir zu haben, ist immer wieder … es tut gut Dich zu sehen. Heute jedoch, wurde ich auf eine harte Probe gestellt. Doch egal was oder wer kam: ich wich nicht von Deiner Seite. Ich war Dein Fels.
Du lagst im Koma. Den Grund dafür kannte ich nicht, doch ich war da und ich wollte, daß Du es weißt. Du sahst so friedlich aus, und doch war es falsch. Dich dort zu sehen, schmerzte höllisch. Es zog mich zu Dir. Was auch immer mich zu Dir zog, machte es mir unmöglich zu gehen, es bannte mich an Ort und Stelle, hielt mich in dem Raum an Deiner Seite fest.
Ich legte mich mit dem Personal und allen an, die meinten sie müßten mir schräg kommen. Ich wollte und mußte bei Dir, an Deiner Seite sein. Dir irgendwie helfen. Das war Dein Wille. Dein Wille, der mich dort festhielt. Das wußte ich.
Ich wehrte mich dagegen entfernt zu werden und konterte ganz einfach mit der Frage, woher sie alle den wissen wollten, was Du willst oder nicht, was richtig ist und was nicht, wenn sie Dich nicht fragen konnten. Ich fragte, ob überhaupt einer wirklich wisse, was die im Koma liegenden wollen und was nicht. Schließlich nickte ein Arzt (oder Ärztin?) meine Hartnäckigkeit ab, während ein Pfleger meinte, sie würden es prüfen. „Macht doch.“ Ich zeigte mich weder eingeschüchtert, noch beeindruckt von seiner Aussage. Er sah mich seltsam an, warf einen Blick auf ein Schild mit Deinem Namen an Deinem Bett, er drehte es um und las auf der Rückseite meinen Namen, dann ging er. Ich sah besorgt auf Dich. Einen solchen Schmerz habe ich noch nie gespürt. Ich setzte mich an Deine Seite und wachte über Dich. Ich war in Sorge und fürchtete um Dich, aber Dich aufgeben? Niemals! Diesen Schmerz habe ich schon lange nicht mehr gespürt und wollte ich auch nicht. Er zerriß mich innerlich und ich kam mir vor, als würde ich einen Kampf mit dem Schicksal oder etwas in der Art ausfechten. Doch ich scheute nicht zurück. Ich nahm den Kampf auf.
Ich wechselte von dem Stuhl an Deinem Bett, zu dem Fenster und sah hinaus. Den Ort kannte ich nicht. Ich bin noch nie da gewesen. Der Vorhang war bis zu einer Elle zugezogen. Ich sah auf Dich und ging wieder zurück, an das Fußende … Nein, eine derartige Verzweiflung, einen solchen Schmerz habe ich wirklich noch nie gespürt. Mir standen oft die Tränen in den Augen. Ich sprach zu Dir, fühlte telepathisch nach. Irgend etwas mußte ich doch tun. Ich kam mir vor, wie einen dieser Filme, wo jemand die ganze Zeit am Krankenbett sitzt, hofft und bangt. Ich saß an Deinem Bett und … war einfach da.
Irgendwann; nach meiner ruhelosen Runde von dort nach da; stand ich wieder an dem Fußende, mit den Händen auf dem Bettgeländer. Ich sprach mental mit jemanden. Bat um Rat, da ich mit meinem Latein am Ende war. Ich wußte nicht, was ich noch tun sollte/konnte, denn meine Anwesenheit allein brachte Dir keine Hilfe. Ich wußte, Du bist da. Ich spürte Dich, gefangen in Deinem Körper. In mir war nur pure Verzweiflung und Sorge, Dich nie wieder …
Ich trat an Deine Bettseite und zögerte. Mein mentaler Gesprächspartner schien mich zu kennen und zu sehen, wie ich zögerte. „Nimm ihre Hand. Was hast Du schon zu verlieren?“ Alles. Ich hatte alles zu verlieren, daß wußte ich, seit ich dort an Deiner Seite an Deinem Bett war. Ich nahm Deine Hand behutsam in meine behandschuhte rechte Hand. (So warm.) Deine Hand war unglaublich warm. (Wieso ist ihre Hand so warm?) „Bist du blöd? Wirst du wohl den Handschuh ausziehen? Du willst doch, das sie zurückkehrt, oder nicht? Du mußt ihr Licht sein. Das Licht, das sie leitet, das ihr den Weg zurück weist. – Das kannst du nur, wenn ein direkter Kontakt besteht.“ (Ich glaube nicht, daß sie damit einverstanden wäre.) „Sie kann dich ja später dafür zur Rechenschaft ziehen und dich dafür rügen, doch jetzt nur das eine wichtig. – Du hast mich um Rat gefragt. Ich habe dir Rat gegeben, doch du selbst mußt die Handlung vollziehen. Du hast keine Zeit um zimperlich zu sein.“ Die Verzweiflung machte mich unsicher. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich richtig war, doch sie hatte Recht: was hatte ich noch zu verlieren? Ich legte Deine Hand wieder auf das Bett und zog den Handschuh aus. Deine Hand war unglaublich warm. Ich setzte mich auf die Bettkante und hielt Deine Hand in meiner. Ich spürte wie meine Energie in Deine Hand strömte. Ich sah noch einmal in Dein Gesicht, dann schloß ich die Augen und konzentrierte mich. Ich steuerte die Richtung meiner Energie. Langsam stand ich auf und stellte mich mit einer Hand auf dem Bett abstützend neben Dich. Ich gab meiner Energie mit meinem Willen Nachdruck, lenkte sie. Ja, ich fürchtete Dich zu verlieren. Die Verzweiflung und die Furcht/Sorge Dich zu verlieren trieben mich an, gaben mir die Kraft. Ich kämpfte um und für Dich! Wenigstens bei Dir wollte ich nicht versagen. Ich habe bei meinen Brüdern versagt, es nicht geschafft sie zu retten, doch bei Dir wollte ich es nicht! Ich wollte … für Dich stark sein. Für Dich kämpfen, wenn Du es schon nicht konntest. Ich konnte und wollte Dich einfach nicht verlieren. Egal wie hoffnungslos es auch erschien, ich wollte und konnte einfach nicht aufgeben – Dich aufgeben? Nein! Niemals!
Aufgeben steht einfach nicht auf meiner Liste oder ist in meinem Wörterbuch vorhanden. Das Wort gibt es einfach nicht bei mir. Ja, ich ziehe mich mal zurück, ruhe mich aus, aber aufgeben? Niemals! Ich mache weiter, egal was oder wer auch kommt.
Ich steuerte die Energie gezielt und gab ihr mit meinem Willen die Richtung und das Ziel vor. Ich legte meine Verzweiflung, meine Ratlosigkeit und noch das ein oder andere mit hinein. Ich ließ Dich fühlen, wie es mir erging, senkte meine Abschottung, meinen Schutz vor Dir. Ich ließ Dich alles sehen und spüren und sendete gleichzeitig, daß ich hier sei, an Deiner Seite. Als ich eine Resonanz von Dir spürte, zog ich mich vorsichtig aus Dir zurück. Ich hielt Deine Hand noch immer, als Du die Augen langsam aufmachtest. „Stephanie …“ Die Maske der Neutralität und der Abweisung, die ich sonst immer trage, hatte ich fallen lassen Du sahst was Du sehen mußtest. Schmerz, Verzweiflung – Furcht. „Ich hatte … (das Wort weigere ich mich zu schreiben!) um dich. Ich dachte ich würde Dich nie wieder sehen. Ich würde Dich verlieren.“ Du sahst zu mir, direkt in die Augen. „Du bist da.“ Mir liefen die Tränen über das Gesicht. Du legtest kurz eine Hand an mein Gesicht, dann auf meine Hand. „Ja, ich bin da. Ich werde immer da sein.“ Du sahst all den Schmerz, als das Leid, die Qual – und die Schuld. Nichts blieb Dir mehr verborgen.
„Stephanie – bitte verzeih mir, daß ich dich damals habe gehen lassen.“, sagte ich mit brüchiger Stimme. Ich war ob dessen überrascht, daß ich sprechen konnte. „Es gibt nichts zu verzeihen, denn du hast nichts falsch(es?) gemacht.“ Ich tat etwas, daß ich mich nie zu wagen glaubte, weil es einfach nicht meine Art ist: ich nahm Deine Hand in meine Linke und legte die rechte auf Deine, dabei schloß ich die Augen und senkte den Kopf leicht… die Verzweiflung und Sorge um Dich, war noch immer sehr groß. Ich ließ Dich sehen, was sonst niemand sieht. Ich senkte meine Abwehr, meinen Schutz … ich versteckte nichts vor Dir, denn ich wußte und weiß, daß Du es niemals gegen mich verwenden würdest und wirst. „Verzeih mir …“
Nachdem ich in meinem Körper wach geworden war, war das ein Erlebnis wie jedes andere, so dachte ich, doch als ich mich hinsetzte um diese Erlebnis zu notieren … Ich wußte bisher nicht, daß man eine solche Verzweiflung, eine solche Qual und einen solchen Schmerz empfinden kann. Ja, ich kenne den Schmerz nur zu gut, er ist ein alter Bekannter von mir. Doch in diesem Erlebnis, hat er eine neue Qualität erhalten, die ich genauso wenig beschreiben kann, wie die Verzweiflung und die Qual.
Als Teiron gestorben ist und seine Söhne ihm später in einem kurzen Abstand zueinander ihm folgten, war da auch ein Schmerz, der sich nicht beschreiben läßt und mich fast in den Wahnsinn getrieben hat, mich an dem Rand des Wahnsinn tanzen ließ, doch hier war es anders. Es hatte eine andere Qualität. Ich will damit nicht schreiben, daß ich es verstehe, doch ich fange langsam an etwas zu begreifen. Ich habe mich immer hinter fragt. Mich selber ausgebremst und mir selber Spinnerei angedichtet. Ich habe mich immer wieder selber überprüft und meinte, daß ich mir das alles nur einbilde und mich da in etwas hinein steigere, mich in etwas verrenne. Ja, diese Ausflüchte halfen bisher immer, doch sie verhinderten nicht, daß etwas anderes wuchs. Ungehindert, unbemerkt stärker wurde.
„Ja, ich bin da. Ich werde immer da sein.“ Das war und ist ein Versprechen, daß ich bis heute nicht gebrochen habe. Ich bin da! Ich werde immer da sein. Egal wo Du bist, egal was Du machst – ich bin da! Doch wieso, werde ich nicht mehr hinterfragen. Ich nehme es, wie es ist. So, wie ich es immer tue: die Dinge an–, und hinnehmen. Das heißt jedoch nicht, daß ich mich in Dein Leben dränge. Die Entscheidung, hast ganz alleine Du! Ich halte mein Wort!
Dieser Schmerz … ja, ich kenne ihn. Ich bin sooft mit diesem Schmerz wach geworden, der mir Tränen in die Augen trieb und über das Gesicht laufen ließ. Ich fühle ihn seit … seit wir uns das letzte Mal vor XX Jahren wirklich gesehen haben, einander gegenüber standen und ich … nichts machte. Ich habe Dich kampflos gehen lassen. Ich habe damals diese Entscheidung getroffen – damit muß ich leben, ebenso mit dem Schmerz, der mich seit dem begleitet und mich innerlich zu zerreißen droht. Doch ich gebe nicht auf! Ich kämpfe weiter, selbst wenn die Aussichten noch so hoffnungslos zu sein scheinen. Ich warte. Ich nutze alles mir mögliche um Dir … Dich zu erreichen, um Dich wissen zu lassen: Ich bin hier! Ich warte. Ich werde immer warten! Egal wie lange ich warten muß: Ich bin hier! Ich werde immer hier sein!
Montag, 11. Februar 2019
Ich muß da noch etwas ergänzen, zu diesem Erlebnis. Als Du sagtest, hauchtest (wie auch immer): „Du bist da“, war ich mir nicht sicher, ob Du wirklich mich meintest. Mein/e mentale/r Gesprächspartner/in stieß mich wieder zurecht bzw. half mit ihren Worten ein wenig nach, als ich mit der Antwort zögerte. „Selbst, wenn sie denkt das du jemand anderes bist, im Moment, …, bist nur du alleine da. Da ist sonst niemand. Also sag gefälligst ja.“ Wer auch immer mein/e Gesprächspartner/in war, sie war so ganz anders, als all jene, mit denen ich sonst zu tun habe. Dieses Etwas war jedenfalls nicht auf den „Mund gefallen“ und vergriff sich nicht nur in der Wortwahl, sondern hatte zugleich auch gute Einwände. Aber gut, fühlte ich mich nicht dabei, Dich mutmaßlich zu täuschen. Du warst gerade aus dem Koma erwacht, Deine Stimme noch schwach und wie es um Deinen Blick stand, weiß ich nicht, denn ich kann nur durch Deine Augen sehen, wenn mein Körper schläft. – Ich beziehe mich da auf eine Erfahrung sehr viele Jahre zurück liegt. Keine Ahnung? Du saßst in der Bank in Detmold in Deinem Büro und ich stattete Dir unerwartet einen Besuch ab. Wobei Du Dich da drüber freutest mir – auf Nachfrage – erklären zu können was Du so in diesem Büro tust – was ich übrigens nie wieder tue! Es sei denn, Du schaffst das, was Du mir an dem Tag gegen Mittag (Pi mal Daumen) erklärt hast, so zu erklären, daß es auch Dummis verstehen – ohne dabei Kopfschmerzen zu erhalten?! Bevor ich ging, fragte ich nach Deinem Namen, den Du aufgeschrieben hast … Reicht das als Erinnerungshilfe? Danach, als ich es realisierte, verbot ich mir, Dich je wieder als eine Art Medium zu benutzen! Es blieb bei diesem einen Mal, denn seit dem ist ein Vorkommen dieser Art nicht mehr geschehen, nicht solange ich es steuern und verhindern kann! –
Als ich Deine noch immer schwache Hand in die meine nahm, kurz bevor Du sie auf die meine auf Deinem Bett legtest und sagte: „Ja ich bin da.“ War es mein Gewissen, daß es mir diese Worte schwer machten. Ja, ich war als Einzige da. In der ganzen Zeit, wie ich an Deinem Bett über Dich wachte, waren nur die zuständigen Ärzte und das Pflegepersonal anwesend. Und dieser gar garstige Pfleger. Ob Du mich meintest? Ich weiß es nicht. Doch vielleicht, war es einfach zu viel, was in diesem Moment zusammenspielte. Vielleicht, lag es einfach da dran, daß ich mein Wort gegeben habe, mich niemals in Dein Leben rein zu drängen und diese Entscheidung alleine Dir überlassen habe. Vielleicht, war es das, was mich in diesem Moment mit der Antwort zögern ließ und mich denken ließ, daß es vielleicht nicht ich bin, die Du damit meintest. Vielleicht hast Du auch ganz jemand anderen gesehen. Doch dem widerspricht im Nachhinein Dein Satz: „Du hast nichts falsch(es) gemacht.“ Ob Du meinen Namen nanntest, weiß ich nicht mehr so genau … spielt für mich auch keine Rolle. Deine Hand so warm … die so viel Schmerz, so viel Qual auslösen kann, wie ich hoffte nie wieder spüren zu müssen.
So vieles schoß mir durch den Kopf, daß ich mich nur an wenig erinnern kann. Ich, die ich so diszipliniert und beherrscht bin, die selten bis gar nicht jemand anderen berührt … oder berührt wird, kenne eine Frau, die mir das mit nur einer einzigen, harmlosen Geste nehmen kann … Und doch bleiben Zweifel und … Unsicherheit (?) ob dessen bestehen. Ja, ich brauchte eine „mentale Stütze“, die mir ebenso mental in den Hintern getreten hat um entgegen dem zu agieren, wie ich bin … Bei Dir … bin ich so anders. So ganz anders, als ich es normal bin. Vielleicht ist das auch mit ein Grund, weswegen ich eine reale Begegnung in der wir beide uns erneut gegenüber stehen – hinaus zögere.
An diesem einen Donnerstag, brauchte ich all meine Kraft um tief Luft zu holen und – zu schweigen, als mich Dein Blick traf und ich Dich in meinem Kopf hörte: Nein, sag nichts! … worauf ich den Mund wieder geschlossen haben. So viel zu meinem Vorwand, Dich an dem Tag endlich mal anzusprechen … der so gründlich daneben ging …, daß er seine tiefen Spuren/Wunden in mir hinterlassen hat.
Dann an Deinem Bett zu stehen … so nah … Deine Hand in meiner zu spüren … so warm … Ich habe Anstand und Höflichkeit (wieder) gelernt. Es kam mir falsch vor, Dir etwas vorzugaukeln. Das Deine Nähe so viel auslösen kann … so viel Zweifel, so viel Leid, so viel Qual … so viel Schmerz. Einen Schmerz, so fein, daß ich den noch nicht einmal im Ansatz beschreiben oder gar verstehen kann.
Stephanie … WER bist du?Wer bist Du wirklich?
Eine Antwort werde ich wohl – wie so oft – nicht erhalten. Dann werde ich wohl wieder auf eigene Faust „ermitteln“ müssen. Du kannst nur eine von 3 sein, doch welche von den 3, werde ich herausfinden müssen, doch selbst, wenn ich es weiß, wird das rein gar nichts ändern. Leider.
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