Gefangen
Martes, es deciemonono de enero de dos mil diez
Als ich mir meiner bewußt wurde, befand ich mich auf einem dunklen Gang und folgte einer großen Frau. Der Fußboden war mir Linoleum belegt. Der Gang war lang und an beiden Enden waren Fenster. Sie steuerte eine Tür am Ende des Ganges an und schloß sie auf. Dazu zog sie einen Schlüsselbund heraus, der an einer Kette hing. „Hier.“ Sie öffnete die Tür und trat zur Seite. „Du kannst ruhig rein gehen.“ Ich ging an ihr vorbei in den Raum. Er war klein. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett und ein Schrank befanden sich in ihm. „Du kannst es dir einrichten wie du willst.“ (Als wäre Möbelrücken mein beliebtestes Hobby.) Ich ging zum kleinen Fenster gegenüber und sah hinaus. Unten gingen eine paar Kids und Jugendliche einen gebogenen Weg entlang. Rechts war eine Wiese die leicht abfiel. Mir gegenüber war ein rotes Gebäude, wahrscheinlich aus Klinker oder Backstein. „Du willst doch nicht springen, oder?“ Irritiert wandte ich meinen Kopf der Frau zu. „Nein. Das hatte ich nicht vor. Ich wollte nur raus sehen.“ „Dann ist es ja gut.“ Die Frau hatte sich in der Tür positioniert und stand so, das sie sowohl den Gang als auch mich im Blick hatte. Die Frau war ca. 1.80 groß, hatte dunkle „verwuschelte“ Haare die ich Löwenmähne taufte und trug ein Jeanshemd und eine Weste über der Hose. „Sag mal, wie heißt du eigentlich?“ Sie nannte mir ihren Namen – irgendwas mit S am Anfang und E am Ende. „Sxxxe also.“ Ich sah seufzend wieder runter auf die Straße. Dort unten war keiner mehr. Ich zog mich auf das Bett zurück und legte mich mit im Nacken verschränkten Armen hin. Ich sah die Decke an. „Ist sie eigentlich auch da?“ Irgendwie schien ich irgendwie Mitleid oder so bei ihr zu erregen. „Ja, den ganzen Tag. - Sie hat Bereitschaft.“ „Das ist ein Scherz?“ „Nein, das ist keiner.“ „Sie ist nicht wirklich da, oder?“ „Doch, sie ist da.“ „O Mann, wenn sie mich hier sieht wird sie mich umbringen.“ „Das wird sie nicht nicht.“ „Doch das wird sie, sie hat es mir selber gesagt.“ „Sie wird dich nicht umbringen.“ „Sie wird mir den Kopf abreißen und mit meinem Kopf Fußball spielen oder mir in den Hals...“ Die Löwenmähne sah mich ein wenig seltsam an. „Ok, lassen wir das.“ „Ja, lassen wir das.“ „Wo ist sie?“ „Im Moment noch in einem Gespräch. Sie wird kommen, so bald sie fertig ist.“ „Und du? - Was ist mit dir?“ „Ich warte hier. Ich soll aufpassen, das du keine Dummheiten machst.“ „Was habe ich doch für ein Glück. - Dann kann ich ja noch ein wenig schlafen.“ „Ich wecke dich, wenn sie kommt.“ Ich nickte. Ich wußte nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich schwankte zwischen Hysterie und gnadenloser Rationalität. Ich glaube, wenn ich angefangen hätte wie irre zu kichern, wäre das auch nicht sonderlich aufgefallen. Diese Situation war mir irgendwie so fürchterlich bekannt und vertraut. Ich hatte den Eindruck, das alles schon einmal erlebt zu haben. (Das sich das jetzt auch auf meine nächtlichen Erlebnisse auswirkt hätte ich nie für möglich gehalten.) Der Raum war kein Patientenzimmer oder das was ich darunter verstehen würde. Er wirkte eher wie eine Gästeraum wo jemand kurzfristig untergebracht ist. (Man in was bin ich jetzt schon wieder rein geraten? Das ich auch nie auf mich selber aufpassen kann! Langsam nervt das!) „Dxxxx?“ Ich hörte „meine Wache“ weit entfernt. „Gabi kommt ins 10 Minuten.“ Ich war hellwach und setzte mich auf. Ich rieb mir das Gesicht. Ich stand auf und ging wieder zum Fenster. Diesmal zu dem Fenster mir gegenüber. Das Bett stand an der Wand in der die Tür eingelassen war. Als ich aus dem Fenster sah, sah ich auf einen Hang und Wald (?). Wo bin ich hier? Ich sah einige Minuten hinaus. „Ich würde gerne ein wenig spazieren und den Wald erkunden.“, sagte ich leise. „Vielleicht ergibt sich ja eine Möglichkeit, wenn du nicht abhaust.“ (Wieso sollte ich abhauen? Ich weiß doch nicht mal wo ich hier bin?! Da wäre abhauen mehr als dumm!) Ich ging wieder zu dem Bett und setzte mich auf die Kante. Kurz darauf waren Schritte von Absätzen zu hören. (Wie ich solche Schuhe liebe. Ein Glück, daß ich solche nicht tragen muß.) Die Schritte näherten sich. Wer auch immer das war, hatte es nicht eilig. Meine Wächterin nickte jemanden zu und ging aus der Tür in den Gang und rein kam.... (Nein! Nein, das kann nicht sein! - Man das ist doch ein Alptraum, werde ich die denn auch nicht los?) „Hallo Dxxxx.“ Ich stand auf und sah der Ärztin in die Augen. (Immerhin hat sie kapiert, das mein Name Dxxxx ist. Wenigstens ein kleiner Fortschritt.) „Du scheinst überrascht zu sein mich zu sehen.“ „Sollte ich es nicht?“ „Wohl kaum. - Wie geht es dir?“ „Den Umständen entsprechend. - Was soll das hier? Ich bin zu alt für einen Aufenthalt hier! Wenn du mich unbedingt eingesperrt sehen willst, mußt du mich in eine Psychiatrie für Erwachsene einweisen lassen. Ich habe hier nichts zu suchen!“ Ich stand eine halbe Armeslänge von ihr entfernt und wartete ab. „Das werde ich nicht tun. - Hier bist schon gut untergebracht und gut aufgehoben.“ „Bitte? - Ich bin zu alt für eine Kinder – und Jugendpsychiatrie. - Das können Sie -“ Ich bemerkte ihren seltsamen vlt. rügenden, tadelnden Blick. Verwirrt korrigierte ich mich. „Das kannst du nicht machen! Du hast dazu kein Recht und keine Befugnisse!“ „Ich habe JEDES Recht ….!“ „DAS ist NICHT mein Name! Krieg das endlich in deinen Psychiaterschädel rein! Mein – Name – ist – DXXXX! - Du hast kein Recht mich hier fest zu halten! Das ist Freiheitsberaubung. - Wie willst du erklären, das hier eine über 30jährige festgehalten wird?“ „Ich sage es noch einmal: Ich habe JEDES Recht! Wenn du nicht auf dich aufpassen kannst, muß es eben jemand tun, der es kann! (Bitte? Was habe ich denn JETZT schon wieder gemacht?) - Niemand weiß, das du hier bist.“ Sie ließ die Worte erst mal bei mir wirken. Ich starrte sie irritiert und verwirrt an. „Du bleibst erst Mal hier, bis du nicht mehr in Gefahr (Weiß sie etwas, das ich nicht weiß?) und auch sonst wieder auf dem Damm bist. - Du bist auf allen Ebenen mehr als angeschlagen, oder willst du mir das Gegenteil weis machen? Willst du allen Ernstes behaupten, das sei nicht so?“ Ich öffnete den Mund und schloß ihn hilflos wieder. Mir waren eindeutig die Argumente ausgegangen. „Ich werde alles tun, was ich kann um dir zu helfen und dich zu schützen, wenn es sein muß, auch vor dir und deinen waghalsigen Aktionen!“ (Waghalsigen Aktionen? - Himmel, was habe ich jetzt schon wieder verbrochen? Ich habe doch gar nichts gemacht? Zu mindestens kann ich mich nicht daran erinnern.) „Was soll das denn heißen?“ „Das was ich gesagt habe.“ „Hast du ‘nen Knall? - Was soll das? Wieso tust du das? - Du bist nicht die Person, die gegen den Eid des Hippokrates verstoßen würde und eine Person entführt. - Du bist eine Ärztin durch und durch! Du würdest nie etwas tun, was dagegen spricht – nie würdest du etwas derartiges tun! - Ich habe mich noch nie in meiner Einschätzung geirrt. - Noch nie!“ Ich starrte sie fassungslos an. Sie erwiderte meinen Blick sehr ruhig. „Das stimmt, ich würde als Ärztin nie etwas in der Art tun, aber ich handle nicht als Ärztin, sondern als - Privatperson.“ „Selbst dann …“ Ich schüttelte leicht den Kopf, wie um eine leichte Benommenheit los zu werden und trat einen Schritt zurück. Ich hatte den Eindruck, das sie etwas vor mir verbarg, aber es war nur ein Eindruck. Mit den Waden berührte ich das Bett. „Aber wieso? - Ich verstehe das nicht?! - Ich habe doch nichts getan. Ich kenne dich doch gar nicht und habe auch gar nichts mit dir zu tun?!“ „Hast du es vergessen – Dxxxx?“ Ich sah sie verwirrt und noch irritierter als vorher an. „Ich will und werde auf dich aufpassen.“ Ich sah sie mit großen Augen leicht den Kopf schüttelnd an. „Ich tue es, weil ich – weil du – mir wichtig bist.“ „Das ist Irrsinn! Du kennst mich doch gar nicht!“ „Ich habe dir schon gesagt, daß ich alles – wirklich alles – tun werde um dich zu schützen – und genau das werde ich tun! - Manchmal muß man ungewöhnliche Wege gehen, um jemanden zu helfen, der einem wichtig ist.“ „Was soll das? Gabi – bitte – ich muß in meine Wohnung zurück. Ich habe xxxxx ... [Satz zensiert!]! - Ich kann nicht hier bleiben.“ „Doch. Das kannst und wirst du – vorerst. (Vorerst?) So lange bis alles andere geregelt ist.“ (Alles andere? - Was ist alles andere?) „Du hast einen Knall – und zwar einen gewaltigen.“ „Mag sein, aber dafür bist hier sicher, da dich niemand hier vermutet.“ „Ja – toll. Und Langweile mich als Ausgleich dafür zu Tode.“ „Ich werde ein wenig für Abwechslung sorgen.“ „Ja, ein PC zur Abwechslung wäre nicht schlecht.“, grummelte ich. Sie wandte sich zu mir um und sah mich scharf an. „Du wirst keinen Kontakt zu anderen oder zur Außenwelt haben. (WAS?) - Dein Handy habe im Übrigen ich.“ (Jetzt geht es los hier! Ich glaube ich spinne.) Ich sah zu der Frau mit der Löwenmähne die wieder in der Tür stand. (Ok, Dxxxx – brav bleiben. - Sie jetzt anzugreifen wäre nicht nur taktisch unklug sonder ausgesprochen dämlich. - Ich sollte erst mal abwarten und beobachten und heraus finden, was sie WIRKLICH will. - Das Ganze ist mir sowas von dermaßen suspekt, das geht ja gar nicht.) Sie stand am Fenster und sah mich an. „Du kannst es anscheinend nicht glauben, daß es tatsächlich jemanden gibt, der sich um deinetwillen sorgen macht und entsprechend agiert.“ Ich sah sie skeptisch fragend an. „So ist es.“ „Da brauchst du mich nicht so anzusehen. Ich tue das nicht aus Spaß, sondern weil ich dir helfen will.“ (Ja, sicher.) „Man muß vertrauen können. Und wenn man das nicht kann, muß man es eben lernen. Du wirst eben lernen müssen, das ich dir nicht schaden will und das du mir vertrauen kannst. - Mag das Mittel auch noch so seltsam sein, das Ziel ist ausschlaggebend.“ „Und was ist das Ziel?“ Sie lächelte leicht. „Das solltest du herausfinden. - Es gab mal eine Zeit, da hast du mir vertraut. Vielleicht wirst du es wieder tun – mit der Zeit, wenn du siehst, das ich dir nicht schaden will.“ (Das läßt sich aus deiner Position wirklich sehr leicht sagen. - Für den Moment gebe ich mich geschlagen, aber nur für den Moment. - Besser ich kooperiere vorerst.) Gabi ging mit den Worten, an meine Wächterin, das sie bitte bis zur Übergabe (?) auf mich aufpassen solle. Diese nickte und sagte, das das kein Problem sei. Ich setzte mich auf das Bett und legte meine Hände verzweifelt an den Kopf. „Die Frau hat ‘nen Knall. Die hat ‘nen Knall. - Sie kann mich hier nicht verstecken und einschließen. - Das geht einfach nicht. - Ich verstehe weder sie noch ihre Handlungsweise. Wer ist diese Frau und wieso tut sie das? Ich begreife es nicht. Ich begreife es einfach nicht. - Ich kriege es in meinen Kopf nicht rein.“ „Sie tut das nicht, um dir zu schaden oder dich zu ärgern. Sie will dir einfach nur helfen. - Gib dir Zeit und lerne sie kennen.“ „Und das soll mir was bringen?“ „Verständnis? Akzeptanz?“ „Na ja, wenigstens kenne ich den Namen meiner Gefängniswärterin. Wenigstens etwas.“ Sie machte ein seltsames Geräusch. „Du bist hier nicht gefangen.“ „Aber ich kann auch nicht gehen wohin ich will. - Wo ist da der Unterschied zu einem Gefängnis?“ „Du kannst gehen wohin du willst. - Nur halt in Begleitung.“ „Ja toll, und Kontakt zu niemanden. - Ich sehe da keinen Unterschied Sxxxxxe. Ich bin hier eine Gefangene. Egal wie man es dreht und wendet.“
Und damit hat sich Gabi Dxxxx nun eindeutig zu Nemesis Nummer Zwei gesteigert. Und ich war so froh und dankbar dafür, das sie mich Nachts nicht aufsuchen kann … Wer auch immer sie ist, es ist ihr scheinbar ernster als ich dachte oder vermutet hatte. Und der Ausdruck gefährlich trifft es schon nicht mehr.
Als hätte ich mit Stephanie nicht schon genug Probleme, da muß ich mich jetzt auch noch mit einer Ärztin herumschlagen, die um ein vielfaches gefährlicher ist als Steph. Was nicht heißen soll, das Steph ungefährlich ist, ganz im Gegenteil. Immerhin hat diese Ärztin nicht - wie Steph - diese ungeheure Macht über mich.
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